Projekt Richtfunk: Internet + Telefon

Dieser Artikel passt wohl in die Kategorie „Was tut man nicht alles für schnelleres Internet“. Da es die auf meinem Blog aber nicht gibt, nenne ich es einfach mal ein besonderes Projekt. Hintergrund der ganzen Geschichte ist das Internet bei meinen Eltern und meiner Schwester gewesen. Seit Jahren gibt es dort nur DSL light (384 kbit/s) und Aussichten auf Besserung bestanden auch nicht.

Schon lange suche ich nach Alternativen, UMTS ist (in unserem Dorf) gerade mal so schnell wie DSL light und hat noch dazu Traffic-Beschränkungen. LTE sollte erst kommen, dann wieder doch nicht – jedenfalls nicht gleich – und hat außerdem bei der Telekom (der einzige Anbieter, der überhaupt ausbauen wollte) diese nervigen 3- und 5-GB-Grenzen drin. Beim Erreichen der 3 GB wird auf 1024 kbit/s gebremst und bei 5 GB surft man den Rest des Monats mit 384 kbit/s und hat nur 64 (statt 96 bei DSL light) kbit/s Upload. Da meine Schwester viel und gern auf Youtube unterwegs ist, wäre das wohl sowieso schief gegangen. Ebenso wären wahrscheinlich sehr viele Bewohner in der LTE-Zelle bei einem Ausbau auf „Call&Surf via Funk“ umgestiegen, was wiederum beim Shared Medium Funk bedeutet, dass für alle die Datenrate sinkt. Als weitere Alternative schien sich erst das im Nachbardorf etablierte WDSL Oberlausitz anzubieten. Der Carrier bietet seinen Kunden den Internetzugang via WLAN an und bezieht es mit Hilfe von 5GHz Richtfunk aus der nächsten größeren Stadt Löbau. Leider ist es für einen so kleinen Anbieter nicht möglich, unrentable Randgebiete anzuschließen und die benötigten 10-15 Kunden bekommt man in einem kleinen Dorf, in dem der Altersdurschnitt irgendwo jenseits der 55 liegt, eben nicht zusammen. Daher fiel auch diese Methode aus.

Parallel zu den alternativen Möglichkeiten habe ich auch auf Lösungen mit dem bisherigen Anschluss gehofft. Der zeigte nämlich eine Leitungskapazität von über 1500 kbit/s an – zwar bei entsprechend hoher Dämpfung, aber was solls. Leider hat die Telekom jahrelang nur über feste Dämpfungsgrenzen geschaltet, sodass ich mich auf offiziellen Start von DSL-RAM gefreut habe (ich habe öfters diesen Thread im Onlinekosten-Forum besucht, um zu sehen, wann es nun endlich los geht). Leider war diese Freude völlig unbegründet, an unserem Anschluss war DSL RAM nicht möglich – zu lange Leitung.

Nach dieser Enttäuschung hatte ich erst mal „die Nase voll“ bis ich auf die Idee kam, es auch mal beim Haus meiner Großeltern, nur 1.2km Leitungslänge und etwa 600m Luftlinie entfernt, zu versuchen. Und siehe da: DSL RAM 2000 ist verfügbar. Von diesem Zeitpunkt an plante ich eine Richtfunkstrecke für DSL und Telefon. Etwa 3 Wochen später wurde das Projekt in die Tat umgesetzt.

Hier das Konzept:

Zum Einsatz kommen:

  • 1 FritzBox 7270 v3 als DSL-Modem und Router
  • 2 Outdoor-Panel-Richtantennen mit 18dbi von Theta
  • 2 Koaxkabel N-zu-RP-SMA (H155 Belden Low Loss), 7m
  • 2 D-Link DAP 1160 mit RP-SMA-Anschluss als Access-Points für die Richtfunkstrecke
  • 1 Fritzbox 7050 aus Altbeständen zur Versorgung des Elternhauses mit WLAN (inkl. Telefon via SIP-Registrar an der FB7270) und als WDS-Basisstation
  • 1 „gefritzter“ Speedport W501V (für 10 Euro gebraucht bei eBay) als WDS-Repeater
  • 1 Siemens Gigaset A400A Trio an der FB7050 (1. Rufnummer)
  • 1 altes T-Sinus 620S [ISDN] an der FB7270 (2. Rufnummer)
  • 1 namenloses, altes, schnurloses Seniorentelefon an der FB7270 (3. Rufnummer)
  • eine ganze Menge Kabel, Schrauben etc.

Die Montage der beiden Panels war insgesamt relativ unkompliziert, ein bisschen rumzirkeln war natürlich nötig. Ausrichten lassen sie sich dank der beigefügten Masthalterung recht frei. Die Ausrichtung selbst konnte ich nur via Durchsatzmessung ausführen weil der DAP 1160 leider keine Signalstärkeanzeige besitzt – hätte ich das vorher gewusst, hätte ich mich wohl für einen TP-Link mit Atheros-Chipsatz entschieden und DD-WRT hochgeflasht. Ich dachte aber, das wäre selbstverständlich… na ja. Die beiden APs sind als Bridge (ohne AP) konfiguriert und per LAN mit den Fritzboxen verbunden. Die Verschlüsselung funktioniert dank gleicher Geräte auf WPA2-Basis.

Während die erste Fritzbox natürlich als Router konfiguriert ist, nutzen die andere Fritzbox und der gefritzte Speedport (Anleitung hier) das Internet der 7270 mit. Die 7050 hat dabei in den WLAN-Settings WPA2-Verschlüsselung und WDS-Basisstation eingestellt. Die Mac-Adresse des gefritzten Speedport ist als Repeater eingetragen. Umgekehrt hat der Speedport die Adresse der 7050 als Basisstation eingetragen und funkt ebenfalls bei gleicher SSID und auf dem gleichen Kanal mit der gleichen Verschlüsselung. Somit haben beide Häuser schon mal WLAN und damit Internet.

Das ISDN-Telefon und das schnurlose Seniorentelefon habe ich ganz einfach an die 7270 angehängt und wie gewohnt über die Telefonieeinstellungen eingerichtet. Beim ISDN-Telefon ist zu beachten, dass man im Telefon bzw. an der Basisstation selbst nochmal die entsprechende MSN einstellen muss. Sonst klingelt es bei allen Anrufen. Für das andere Haus hatte ich mir eine Lösung über WLAN ausgedacht: 2 TC-300 (aka Pirelli DP-L10) sollten als eigenständige Handgeräte am WLAN angemeldet werden und direkte Telefonie ermöglichen. Für das DP-L10 hatte ich mich vor allem wegen des günstigen Preises entschieden; andere WLAN-Telefone, z.B. aus der Nokia E- oder N-Serie, kosten das fünf- bis sechsfache. Nun ja, das hat auch einen Grund. Nach 2 Tagen Herumexperimentieren ist es mir nicht geglückt, beide Telefone einzubuchen. Sie waren in der FB als WLAN-Telefone eingerichtet, eines anmelden und darüber telefonieren ging. Die Sprachqualität ist allerdings miserabel (egal wo man sich befindet, auch ½m neben der Fritzbox), der Akku hält gerade einmal einen Tag durch und die Reichweite ist sehr gering. Zudem wechseln die Telefone nicht automatisch den AP (zum Speedport bzw. zur Fritzbox), wenn dieser ein besseres Signal liefern würde. Alles in Allem ist das TC-300 ein echter Reinfall gewesen, daher habe ich mich entschieden, das Gerät zurück zu geben und dafür das Gigaset A400A Trio bestellt. Das wird an die Fritzbox 7050 gehängt und diese wird als WLAN-Telefon in der 7270 eingerichtet. Wie das genau funktioniert, verrät AVM in diesem .pdf (lustigerweise mit dem Namen 11833).

So sind nun letztendlich alle zufrieden und insgesamt 3 Haushalte werden mittels eines Call&Surf-Pakets mit Internet und Telefon versorgt. Eine, wie ich finde, sehr elegante und kostensparende Alternative zu LTE & Co. Wie man auf den Screenshots sehen kann, liegt Vollsync trotz recht hoher Dämpfungswerte und eines zerhackten Spektrums an. Die SNR ließe theoretsich sogar noch auf etwas mehr Speed hoffen, zunächst ist die Versechsfachung der Geschwindigkeit ein toller Erfolg.

Zum Schluss noch ein paar Bilder vom Projekt: